Nierenerkrankungen und JRD beim Airedale-Terrier

17.05.2012 11:34
#1 RE: Nierenerkrankungen und JRD beim Airedale-Terrier
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Hallo liebe Airedale-Freunde,

in den letzten Wochen kochen die Emotionen und Spekulationen über die JRD beim Airedale hoch.
Wir diskutieren im Mitgliederbereich auch intensiv über dieses Thema.

Leider ist es nicht einfach, überhaupt für Laien verständliche Fakten zusammen zu tragen und sachliche Gespräche zu führen.

Darum haben wir im Mitgliederbereich mal begonnen, einfach die fachlichen und wissenschaftlichen Grundlagen zusammen zu stellen. Wir möchten diese auch einer breiteren Interessentenschaft zugänglich machen und stellen darum die Startthemen im offenen Bereich ebenfalls ein.

Es gibt noch lange keinen Grund zur Hysterie.
Die Erkrankung ist aber dennoch ernst und wir sollten Wege finden, um heraus zu bekommen, ob und wie intensiv die Airedale-Population betroffen ist. Nur dann wird es auch gelingen, in Ruhe Strategien zu entwickeln, die diese Erkrankung auf züchterischem Wege bekämpfen kann.
Dazu ist erstmal nichts weiter nötig als Daten zu erheben. Wir hoffen, daß dabei heraus kommt, daß die aktuellen Fälle tatsächlich Einzelfälle sind und unserer Rasse insgesamt gar nicht ernsthaft betroffen ist. Sollte sie aber doch ein Problem haben, so wäre es im Sinne aller, diese früh genug erkannt zu haben und gezielt zu lösen, um nicht in 20 Jahren von der nächsten Züchergeneration den Vorwurf zu bekommen, wir hätten es wissen und rechtzeitig etwas unternehmen können.

Wir Airedale-Freunde wollen schließlich alle, daß unsere Terrier die gesunde Rasse sind, die wir uns wünschen.



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17.05.2012 11:36
#2 RE: Nierenerkrankungen und JRD beim Airedale-Terrier
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Physiologie und Pathophysiologie der Niere

Die Niere dient der Ausscheidung von Stoffen, die der Körper nicht brauchen kann. Sie filtert das Blut in ihren sog. Glomeruli.
Dies sind mikroskopisch winzige Gefäßknäuels, die in enger Verbindung mit den Sammelhohlräumchen stehen. Von da wird der entstehende Harn durch verschiedene Abschnitte eines Röhrchensystems geleitet. Dort werden spezifische harnpflichtige Substanzen aufgesammelt. Im Austausch zwischen Blutflüssigkeit und Nierenzellen werden diese harnpflichtigen Stoffe in die Nierenkanälchen befördert und mit ebenfalls so gewonnenem Wasser in die Sammelrohre, das Nierenbecken und von dort über die Harnleiter in die Harnblase befördert, von wo sie als Urin ausgeschieden werden. Einzelne Funktionsgebilde von Glomerulum und dem dazugehörigen Röhrchen werden als Nephron bezeichnet.

Dabei finden komplizierte Resorptions- und Rückresorptionsvorgänge statt, zunächst wird auch sehr viel Wasser aus dem Blut entnommen, welches später wieder zurückdiffundiert und der Harn so im Laufe seiner Entstehung konzentrierter wird. Im Grunde werden zunächst alle Stoffe aus dem Blutserum so wie sie sind in die Nierenkanälchen durchgelassen und später nach Bedarf rückresorbiert. Auch zB Eiweiß (=Protein).

Dies ist eine der ersten Eigenschaften der Niere, die bei zugrunde gehen der Nephrone verloren wird. Der Patient muß nun wesentlich häufiger wesentlich mehr Urin lassen. Dieser ist wässrig und hell, also weniger dicht. Diese Dichte kann man relativ einfach mit einem Gerät (Refraktometer) messen.
Die Einweißmenge im Urin steigt an, was ebenfalls einfach zu messen ist.

Beim Absterben von Nierengewebe werden spezifische Enzyme, die überwiegend in Nierenzellen vorkommen, frei und gelangen in den Blutkreislauf. Dort können sie gemessen werden. Crea (=Creatinin) ist das wichtigste. Eine Erhöhung ist immer ein Zeichen für absterbende Nierenzellen, der Grad der Erhöhung repräsentiert die Stärke des Verlustes relativ linear.

Bun (=Harnstoff) ist das Abbauprodukt, welches in erster Linie aus dem Eiweißstoffwechsel des Körpers resultiert. Zunächst wird Ammoniak gebildet, das wegen seiner Aggressivität sofort (in der Leber) zu Harnstoff umgewandelt wird. Es ist für den Organismus giftig und muß ausgeschleust werden. Werte über dem Referenzbereich zeigen an, daß die Nieren dieser Pflicht nicht ausreichend nachkommen. Hier müssen Alter, letzte Nahrungsaufnahme, Art der Nahrung, Trainingszustand, körperliche Arbeit etc berücksichtigt werden, da alle diese Faktoren Einfluß auf diesen Parameter haben.

Gleichzeitg wird oft ein Absinken des Eiweißspiegels (Prot) im Blutserum beobachtet, weil wie oben erklärt, die Nieren dieses nicht mehr zurück halten können.

Weitere „Nierenwerte“ sind Ca (=C/Kalzium) und P (Phosphor).
Diese beiden Elemente sind nicht nur für den Knochenbau wichtig, sie werden auch zur Aufrechterhaltung diverser Regulationsmechanismen benötigt und vom Körper in sehr engen Grenzen im Blutserum konstant gehalten. Auch dabei spielen die Nieren eine wichtige Rolle. Veränderungen in diesen Werten zeigen sich meist in einer Erhöhung, besonders von P, weil die Nieren die Ausscheidung nicht mehr schaffen.

Aus alle diesen Funktionen und ihrem Nachlassen bei Niereninsuffizienz ergeben sich vielfältige Symptome für diese Erkrankung. Und wie immer müssen nicht alle in lehrbuchmäßiger Reihenfolge und Ausprägung auftreten.

Die Nieren produzieren auch einige Hormone; das bekannteste ist sicher das Erythropoetin, in konsumierenden Sportlerkreisen liebevoll EPO genannt. Dieses Hormon regt die Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) im Knochenmark an.
Deswegen leiden Niereninsuffiziente Patienten auch häufig unter „Blutarmut“ (=Anämie).
Ebenfalls werden Hormone gebildet, die Einfluß und Rückkopplung auf Blutdruck und Homöostase haben.

Zunächst fallen Patienten auf, weil sie wie oben erwähnt, mehr Urin absetzen müssen. Die Überflutung des Körpers mit Harnstoff führt zur Kompensation: der Körper scheidet den Harnstoff nun über die Schleimhäute aus. Da hier der Harnstoff schnell wieder zu Ammoniak abgebaut wird, reizt dieses die Schleimhäute. Eine Magenschleimhautentzündung mit Erbrechen ist häufig. Die Tiere riechen nach Urin aus dem Maul, auch dort können Schleimhautentzündungen auftreten.

Überschüssiges Wasser kann zu Ödemen führen, es wird auch über den Darm vermehrt ausgeschieden, Durchfall ist die Folge. Dieser wird durch die Entzündung der Schleimhäute des Verdauungstraktes verstärkt.

Durch den zunehmenden Eiweißmangel baut der Patient Muskulatur ab und wird allgemein schwächer. Alle Prozesse, bei denen hochwertiges Protein nötig ist, werden negativ beeinflusst. Das Fell wird schlechter, die Haut unelastischer. Infekte nehmen zu, da gerade zur Produktion von Antikörpern viel Eiweiß nötig ist.

Beim wachsenden Welpen werden zudem Kümmern und Infekt-Anfälligkeit beobachtet.

Je langsamer der Prozeß vorangeht, umso schwächer fällt auch die Symptomatik aus, denn der Organismus „gewöhnt“ sich an die Belastung mit Abfallprodukten. Daher können besonders beim jungen Hund mit JRD auch Erbrechen und DF völlig fehlen.

Im Endstadium vergiftet sich der Körper mit Harnstoff und Ammoniak.

Therapien

Gegen Niereninsuffizienzen gibt es keine kausale Therapie.

Man kann den Fortgang der Erkrankung je nach Umständen recht gut beeinflussen und verzögern.
In erster Linie versucht man die Symptome zu lindern, verabreicht Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen, gibt Infusionen (vorsichtig, um die Nieren nicht zu überfordern) um die Menge an schädlichen Substanzen zu verdünnen und Imbalancen (Säure-Basen- u Mineralhaushalt, Nährstoffe) auszugleichen.

Mit homöopathischen Präparaten läßt sich meiner Erfahrung nach in vielen Fällen (besonders früh erkannten) eine große Verbesserung des Zustandes und eine lange Verzögerung der Verschlechterungen erreichen. Leider trifft dies auf die JRD weniger zu.

Hier ist ein von Wiki entliehenes Bildchen:


Schematic drawing of the anatomy of the kidneymodified from Gray with official anatomical (Latin) terms by Uwe Gille 18:36, 12 August 2005 (UTC)



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17.05.2012 11:42
#3 RE: Nierenerkrankungen und JRD beim Airedale-Terrier
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JRD

=
J-uvenile
R-enal
D-esease

Diese Erkrankung heißt so, weil sie überwiegend in der Welpenzeit bereits auffällig wird und eine angeborene Niereninsuffizienz aufgrund von nicht ausreichend angelegten oder ausgebildeten Glomeruli (Funktionskörperchen) ist.

Eine genetische Grundlage wurde gefunden:
Eine Mutation im sog. COX-2-Gen.

Nach neuesten Untersuchungen ist dieses Gen nicht allein die Ursache für die JRD aber die Grundlage.
Das heißt, die JRD kann ohne diese Mutation erst gar nicht auftreten. Ist diese Mutation vorhanden, so kann aber muß nicht, eine JRD die Folge sein. Welche weiteren Faktoren die Ausprägung der Erkrankung verursachen, ist bislang nicht geklärt. Die Mutation ist dominant, das heißt, es genügt bereits ein mutiertes Gen des doppelten Chromosomensatzes, um das Merkmal beim Träger auch hervorzubringen.
Jedoch ist es keine vollständige Dominanz, sondern eine mit sog. unvollständiger Penetranz. Nur in etwa 5% der Fälle tritt überhaupt eine Erkrankung auf. Das heißt statistisch, nur einer von 20 Merkmalsträgern erkrankt auch.

Durch diese Mutation wird die Ausreifung der Nierenkörperchen zum Ende der Trächtigkeit verhindert. Allerdings kann die Ausprägung des Krankheitsbildes von 0-100% gehen. Es können also Tiere mit vielleicht 6% unreifen Glomeruli auftreten, ebenso wie Tiere mit 99%. Es ist klar, daß je mehr Gewebe nicht ausgereift und damit nicht funktionstüchtig ist, umso geringere Nierenleistung erbracht werden kann, bis hin zur völligem Versagen.
Natürlicherweise und ganz normal kommen schon ein paar wenige der Glomeruli unreif vor, so daß auch die histologische Abgrenzung fließend ist.

Die JRD ist klinisch nicht sicher von anderen Nierenerkrankungen zu unterscheiden, man kann allerdings aufgrund der Symptome, des Alters der betroffenen Tiere, des gehäuften familiären Auftretens und des Verlaufs den Schluss ziehen, daß diese Erkrankung vorliegt. Ultraschalluntersuchungen und Biopsien werden zur Diagnosesicherung heran gezogen. Und inzwischen auch der Gentest.

Die Ultraschalluntersuchung (=Songrafie) kann bei stärker geschädigten Nieren zeigen , dass sie anatomisch von der Norm abweichen. Das Gewebe hat eine veränderte Struktur. Bei geringgradigen Veränderungen erscheint die Niere im Ultraschallbild nicht verändert.

Die Biopsie ist im Prinzip ein gutes Instrument, jedoch ist sie leider nicht besonders aussagekräftig, weil sich die Veränderungen sowohl gleichmäßig über das gesamte Organ erstrecken als auch an einigen Stellen lokalisiert sein können. Bei der Biopsie wird vereinfacht ausgedrückt eine Hohlnadel in die Niere gesteckt und quasi ein sehr kleines Stückchen (1-2 mm Durchmesser) Nierengewebe entnommen. Die dabei entstehenden Verletzungen bergen bereits ein gewisses Risiko (Blutungen, nachfolgende Entzündungen) und können die Funktion einer vorgeschädigte Niere verschlechtern.

Wesentlich wichtiger ist aber zu wissen, daß eben aufgrund des Verteilungsmusters möglicherweise erkrankte Bezirke gar nicht erfaßt werden.
Des Weiteren ist viel Erfahrung nötig, um die relevanten Bereiche in der Niere selbst zu treffen, denn die Glomeruli befinden sich in der Rindenschicht der Niere, mithin in einem auf wenige (2-3) cm beschränkten Bereich. Bei einer Biopsie werden demzufolge nicht immer überhaupt Funktionskörperchen „erwischt“, zumal die nötige Feinheit des „Stichs“ grundsätzlich im allerbesten Falle zur Gewinnung von 5-7 Glomeruli führt. Die Niere enthält bis zu 1,5 Millionen Glomeruli. Bei einer geringen Ausprägung des Krankheitsbildes ist demzufolge die Chance, daß überhaupt veränderte Glomeruli gefunden werden, nicht sehr groß, was das Verhältnis von Aufwand (Gefährdung) zu Ergebnis so nachteilig beeinflusst, daß zu dieser Methode nicht zu raten ist. Denn bei 7 Glomeruli ist statistisch keine relevante Aussage über das restliche Nierengewebe zu erwarten. Im Falle, daß diese wenigen Glomeruli tatsächlich unreif wären, weil sie eine höhergradig veränderte Niere repräsentierten, gäbe es bereits genügend klinische und sonografische Hinweise.

Das gleiche gilt für die Untersuchung bereits verstorbener Hunde.
Hier wäre nur eine histologische Untersuchung der möglichst sofort entnommenen und präparierten Organe sinnvoll. Leider schicken weder Züchter ihre mit unklarere Todesursache verstorbenen Welpen zu solchen Untersuchungen überhaupt in größerem Maße ein, noch werden wegen Abklärung der Todesursache eingeschickte Körper regelmäßig so gründlich histologisch (mit explizitem Wunsch nach Histologie der Niere) untersucht, zumal die Wege oft länger sind und innere Organe schnell Prozessen (Autolyse, Fäulnis)unterliegen, die nach wenigen Stunden keine Ergebnisse mehr hervorbringen.

Bei der histologischen Untersuchung werden von einem Organ oder Gewebe hauchdünne konservierte Schnitte auf Objektträger mikroskopische untersucht. Dies ist der beste Weg, einen Gesamtüberblick über ein Gewebe und seine veränderten Strukturen zu erhalten. Und im Grunde der einzige, um diverse Niereninsuffizienzen auch voneinander zu differenzieren, soweit das überhaupt möglich ist.

Es kommen auch beim Airedale immer wieder Niereninsuffizienzen im mittleren Erwachsenenalter vor. Inwieweit diese möglicherweise auf anlagebedingt zu wenig Nierenfunktionsgewebe zurück zu führen sind, wäre mE ebenfalls eine wichtige Forschungsaufgabe in diesem Zusammenhang.
Ich stelle mir vor, daß evtl. Hunde, die Merkmalsträger sind und klinisch unauffällig, jedoch eine verminderte Anzahl Funktionskörperchen besitzen, auch früher altersbedingt übliche Verschleißerscheinungen aufweisen könnten. Wenn ein niedriger Prozentsatz Nierengewebe nicht funktional ist, kann die Niere dennoch gut ihre Leistung bringen. Jedoch müssen die geringer vorhandenen Glomeruli die Arbeit der fehlenden kompensieren. Sie unterliegen somit einem höheren Verschleiß und da weniger Glom. vorhanden sind, tritt auch früher eine Insuffizienz ein.
Insofern würde ich gerne wissen, ob nicht doch ein Zusammenhang zwischen JRD-Mutation und späteren -bislang eben unerklärten oder mit anderen Erkrankungen vermuteten- Insuffizienzen besteht.

Bereits vor über 30 Jahren hat Frau Dr. Bardeleben in ihrem Standardwerk über Airedales die Symptomatik der JRD - natürlich noch nicht unter diesem Namen - beschrieben und die Erblichkeit verdeutlicht. Heute kann man diese Erkrankung nun endlich genetisch zuordnen und hat zumindest schon mal einen Test, der die veränderten Gene ausfindig machen kann. Auch wurde bereits damals von einer nicht so selten auftretenden Niereninsuffizienz beim erwachsenen Airedale berichtet.



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